14. Juni 2024

Kirchenführung in der Pfarrkirche St. Ulrich in Nordrach

„Elfriede“ Michaela Neuberger zog 80 Besucher in ihren Bann




„Elfriede“ alias Michaela Neuberger begrüßte ihre Gäste vor der Sakristei

Der Historische Verein Nordrach lud am Freitagspätnachmittag zu einer Kirchenführung mit Michaela Neuberger ein. Rund achtzig Einwohner aus Nordrach und Umgebung nahmen teil und erlebten eine „wilde Elfriede“ alias Michaela Neuberger, die mit Witz und zahlreichen Anekdoten die Pfarrkirche und ihre wertvolle Innenausstattung erklärte.

Die Führung begann vor der Sakristei, wo „Elfriede“, vom Rathaus hereilend, mitteilte, sie müsse für die verhinderte Michaela Neuberger die Führung übernehmen. Sie wies darauf hin, dass hier seit Jahrhunderten eine St. Uldaricus-Chorturmkirche gestanden habe. Diese sei aber aufgrund des Bevölkerungszuwachses zu klein geworden und so habe Pfarrer Johann Georg Balzer, der seit 1883 Pfarrer in Nordrach war, den Neubau einer größeren Kirche in jahrelangen Verhandlungen ermöglichen können.

Die Grundsteinlegung konnte am Pfingstmontag, 23. Mai 1904 gefeiert werden. Die in neugotischem Stil errichtete Kirche, die jetzt Pfarrkirche St. Ulrich heißt, steht unmittelbar neben dem Platz der Vorgängerkirche, allerdings nicht nach Osten ausgerichtet, sondern parallel zur vorbeifließenden Nordrach. Der Glockenturm, in dem sechs Glocken an den Festtagen läuten, hat die stattliche Höhe von 63 m. Auf einer Höhe von ca. 40 m befindet sich eine Galerie, die zugänglich ist.

Die Kirche konnte in nur 16 Monaten Bauzeit fertiggestellt werden. Während der Bauarbeiten ereignete sich ein Unglück, das glücklicherweise keinen allzu großen Schaden verursachte und keine Personen verletzte. Anfang Juli 1905 wurde der Dachstuhl aufgeschlagen und am 6. Juli sollte der „Spruch“ und anschließend das Richtfest stattfinden. Doch ein Gewittersturm warf den nahezu fertig aufgerichteten Turmhelmdachstuhl um. Die Gemeinde, die das Holzwerk zum Bau der Kirche gestellt hatte, war auch hier wieder bereit, die Ergänzungshölzer zu finanzieren. Die feierliche Einweihung der Kirche erfolgte am 18. Oktober 1905 unter Mitwirkung von Weihbischof Dr. Knecht mit einem großen Volksfest.

Pfarrer Balzer konnte sich jedoch nicht allzu lange an der neuen Kirche erfreuen. Er starb am 8. Januar 1907. Sein Grab befindet sich rechts am vorderen Eingang an der Friedhofsmauer.

Der Kirchenraum beeindruckt durch seine klaren Strukturen und wertvolle Innenausstattung. Je sechs Säulen aus rotem Sandstein teilen den 40,8 m langen, 17.2 m breiten und 17 m hohen Raum. In den Bänken, geteilt durch einen Mittel- und Quergang, finden 800 Personen Platz. Oben an den Sandsteinsäulen des Langhauses befinden sich zehn lebensgroße Figuren der Apostel mit ihren Attributen und rechts über der Sakristei die Apostel Petrus und Paulus. An den Säulen waren die Tafeln des Kreuzwegs angebracht, die jetzt an den Seitenwänden zu finden sind. Die hohen Fenster der Seitenschiffe und die im oberen Teil befindlichen Fenster lassen genug Licht einfallen. Sie sind von Eugen Börner in Offenburg hergestellt worden, in ruhiger und weicher Farbgebung bemalt und stellen Szenen aus dem Leben der vierzehn Nothelfer dar.

Prunkstück im Inneren der Kirche ist der von den Gebrüdern Moroder in Offenburg geschnitzte, bemalte und mit reicher Vergoldung versehene Hochaltaraufsatz, in dem in den vier offenen Flügelteilen Szenen des Schmerzhaften Rosenkranzes dargestellt sind und in der Mitte über dem Tabernakel die Kreuzigung. Gekrönt ist der Altar mit einer Herz-Jesu-Statue, umgeben von reichem, vergoldeten Stabwerk.

Im linken Chorraum steht ein Marienaltar mit Tabernakel, der Maria mit dem Schutzmantel zeigt. Auf der rechten Seite ist die heilige Familie dargestellt.

Ein außergewöhnliches Kunstwerk ist auch die Kanzel, die vom Bildhauer G. Hausach aus Horb hergestellt wurde. Die reich verzierte und zum Teil vergoldete Kanzel zeigt im Mittelstück den lehrenden Jesus, daneben die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, jeweils mit den dazugehörenden Tiersymbolen.

Die kunstvolle Orgel mit 27 Registern stellte Orgelbauer E. A. Roethinger in Schiltigheim bei Straßburg her. Im Februar 1905 in Auftrag gegeben, konnte sie noch im selben Jahr eingebaut werden. Über der Orgel ist eine große Rosette eingebaut, auf der die Hl. Cäcilia dargestellt ist, umgeben von musizierenden Engeln und einem Kranz mit Ornamenten.

Der Taufstein aus Sandstein, der vor dem linken Seitenaltar steht, ist das älteste Schmuckstück in der Kirche. Er stand schon in der alten Kirche und trägt die Jahreszahl 1618.

Die Gemeinde Nordrach stellte für den Neubau der Kirche das ihr gehörende Grundstück unentgeltlich zur Verfügung und leistete auch einen großen Anteil zur Finanzierung der Baukosten, die sich auf 175.000 Mark für den Bauaufwand und 65.000 Mark für die Inneneinrichtung beliefen.  Zahlreiche Einwohner spendeten Geld, in vielen Fenstern sind die Namen der Stifter zu lesen.

„Elfriede“ Michaela Neuberger informierte ausführlich über die von Pfarrer Filip Leinz durchgeführte Außen- und Innenrenovation in den Jahren 1974 bis 1977. Das Erzbischöfliche Bauamt wollte damals alle nichtgotischen Elemente der Kirche entfernen lassen, darunter die Altäre, die Kommunionbank und die Kanzel. „Der massive Widerstand des Pfarrers, des Pfarrgemeinderats und namentlich von Erwin Junker verhinderten das Schlimmste“, schimpfte „Elfriede“ mit erhobener Faust.

Abgebaut wurden jedoch ein Teil der Kommunionbank, der Aufgang zur Kanzel, die seitlichen Beichtstühle sowie die Kreuzwegstationsbilder, die als „zu kitschig“ bezeichnet wurden. Der Treppenaufgang zur Kanzel wurde zum 100-jährigen Jubiläum der Pfarrkirche im Jahre 2005 nach den alten Plänen wieder hergestellt und die Kreuzwegstationsbilder, die vom damaligen Mesner Eugen Finkenzeller aufbewahrt worden waren, wurden an den Seitenwänden der Kirche angebracht.

„Elfriede“ Michaela Neuberger lobte auch Erwin Junker dafür, dass er vor Jahren die Sanierung des vom Holzwurm befallenen Altars und der Heiligenfiguren finanziert und die Vergoldung erneuern ließ.

Überraschender Schlusspunkt der Kirchenführung: „Elfriede“ Michaela Neuberger ließ auf ihrem Handy alle Nordracher Glocken läuten, www.ebfr-glocken.

Die Besucher dankten Michaela Neuberger für ihre informative und unterhaltsame Führung, die sie in ihrer unvergleichlichen Art mit Witz und Charme vortrug, mit einem kräftigen Applaus. Alle Kirchenbesucher werden nun verinnerlicht haben, dass Nordrach eine Kirche von erhabener Schönheit und Größe hat, eben ein „kleines Münster im Kinzigtal“.